In dieser Arbeit geht es um die Philosophie Jan Patočkas, eines der ganz großen tschechischen Philosophen des 20. Jahrhunderts, der international als Phänomenologe ersten Ranges gilt.
Patočka wird als ein Sokrates zwischen Husserl und Heidegger vorgestellt, weil er ein Fragender ist, der zwischen ihren Philosophien vermittelt und sie weiterentwickelt. Dabei denkt er mit ihnen und über sie hinaus, in einer eigenständigen und phänomenologisch aufregenden Weise. Als Mitunterzeichner der Charta 77, die er unterschrieb, um für Meinungsfreiheit einzutreten, besiegelte er sein Leben und kam zu Tode, eine weitere Ähnlichkeit, die ihn mit dem sokratischen Vorbild verbindet.
Die Arbeit ist auch als Einführung in die Phänomenologie Husserls geeignet, gibt eine Übersicht über die Fundamentalontologie Heideggers, streift den Ansatz von Franz Brentano, behandelt die Rolle von Thomas Masaryk und vertieft sich in Patočkas Philosophie, die dargestellt und mit seinen eigenen Worten belegt wird. Ich lasse ihn öfters zu Wort kommen, damit man seine Sprache hört und auch ein Gefühl für seine Ausdrucksweise bekommt. Nachdem seine Philosophie sich ein Leben lang entwickelte, skizziere ich diese Entwicklung, soweit möglich, in einer chronologischen Reihenfolge.
Zusammengefasst: Patočka übernimmt die Husserlsche Phänomenologie, bricht aber mit ihrem Anspruch der ersten Philosophie, kritisiert die Reduktion, dann die Epoche, dann die Intentionalität und bricht schließlich unter dem Einfluss von Heidegger mit dem Verständnis des Ego als Substantia und Essentia und fasst es als Sum und Tätigkeit.
So gelangt er von Husserls Bewusstsein über Heideggers Sein zu seinem "Leben als Bewegung", von Husserls Krisis über Heideggers Technik zu seiner "Sorge um die Seele", von Husserls Lebenswelt über Heideggers In-der-Welt-sein zu seiner "natürlichen Welt" in geschichtlicher Entfaltung.
Alles in allem handelt es sich um den großen Versuch, die transzendentale Phänomenologie zu einer asubjektiven zu wandeln und auf ihrer Phänomenebene ein Seinsverständnis zu finden, das uns die Welt eröffnet. Der Weg ist hier das Ziel und das Ringen, Suchen und Finden ein lebendiger und spannender Anschauungsunterricht für Phänomenologie auf höchstem Niveau.
Ich schrieb diese Arbeit im Rahmen meiner akademischen Auseinandersetzung und eigentlich nur nebenbei, während ich auf die Beurteilung meiner Dissertation wartete. Ich wollte das, was ich gelernt hatte, und das, was ich gedacht hatte, für mich selbst festhalten, damit es nicht verloren geht. Darüber hinaus hoffte ich, dass die Arbeit einen Beitrag zur Patočka-Forschung leistet und allen Interessierten eine Basis bzw. eine weiterführende Möglichkeit für ihre eigene Auseinandersetzung bietet.
Die Arbeit wurde als Sonderpublikation des Universitätszentrums für Friedensforschung (UZF) in Wien publiziert, in die Sammlung der Universitätsbibliothek des Philosophischen Instituts der Universität Wien aufgenommen und dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien übergeben.
Im Januar 2013 entschloss ich mich, diese Schrift online zu veröffentlichen, um sie leichter zugänglich zu machen. Ich korrigierte sie und passte auch die Rechtschreibung an, die noch aus der Zeit vor der Reform der Reform stammte, allerdings nicht bei den Zitaten, diese ließ ich im Original. 2023 korrigierte ich die Arbeit noch einmal, insbesondere alle diakritischen Zeichen und optimierte auch hier und da die eine oder andere Formulierung.
Wichtig: Ich spreche auch über das Persönliche, insbesondere über die Verbindung von Philosophie und Politik in seinem Leben, weil es eine Rolle spielte, auch in der Rezeption von Bedeutung ist und mich interessiert, aber im Vordergrund stehen die Gedanken, nicht die Biografie.
Ich freue mich, wenn meine Arbeit hilft, Patočka kennenzulernen, ihn zu verstehen und auf dem Weg der Phänomenolo