Ob leuchtende Tapeten, Strom erzeugende Vorhänge oder selbstreinigende Scheiben: Neuentwicklungen im Bereich der Oberflächentechnologien haben und werden zukünftig noch stärker als bisher die Möglichkeiten des Materialeinsatzes in Architektur, Innenarchitektur und Design beeinflussen. Intelligenten Oberflächen erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten für Architekten und Designer umfangreich. Ihr Einsatz führt zu neuen Typologien und Konzepten, die auch den veränderten Ansprüchen an Gebäude und Design gerecht werden können.
Der Eindruck, den wir von einem Haus oder einem Gegenstand gewinnen wird immer häufiger durch die Oberflächeneigenschaften bestimmt. Somit stellt sich für Gestalter auch die Frage der "Materialgerechtigkeit" im Umgang mit den intelligenten Oberflächen neu.
Intelligente Oberflächen möchte diese Gestaltungsfelder in den kreativen Fokus der Planer und Gestalter rücken. Einen Schwerpunkt bildet daher die Darstellung konkreter Anwendungsmöglichkeiten. Planungsgrundlagen einschließlich Kosten-Nutzen-Erwägungen sowie baukonstruktive Fragen bis hin zu Konstruktionsdetails werden anschaulich und übersichtlich präsentiert. Die unterschiedlichen Werkstoffe werden vorgestellt, und derenPotenziale beurteilt. Intelligente Oberflächen bietet damit einen guten Überblick über die Thematik.
Ein Buch für alle, die sich von den Möglichkeiten innovativer Oberflächentechnologien inspirieren lassen möchten.
Interview mit Thorsten Klooster zu innovativen Materialien
Wie kommt ein Architekt dazu, sich mit Intelligenten Oberflächen, ihren Potenzialen, dem Stand der Forschung auseinanderzusetzen? Welche Bedeutungen sehen Sie in den Entwicklungen, Innovationen der Materialforschung im Bereich Nanotechnologie für Architektur und Design?
Es gibt zunächst den institutionell geprägten Zugang, also meine Beschäftigung mit dem Thema Beschichtungen an der Hochschule, aus der sich die Zusammenarbeit mit nanotechnischen Forschungseinrichtungen ergeben hat. Wir haben Entwurfsprojekte durchgeführt, Symposien zusammen veranstaltet und dergleichen mehr. Inzwischen erscheint es mir als ein nahe liegender Schritt, sich ausgehend von den Beschichtungsverfahren, die für sich betrachtet schon ein intelligentes Prinzip darstellen, technologisch avancierten Ansätzen zuzuwenden. Wie viele Architekten interessieren mich auch Formenexperimente und die Fülle neuer Materialien. Ich finde aber, es gibt in beiden Bereichen so etwas wie nicht eingelöste Versprechen. Viele neue Materialien sind letztendlich doch eher hinsichtlich ihrer dekorativen Eigenschaften interessant. Für Formfindungsprozesse andererseits werden zwar häufig Vorbilder aus der Natur herangezogen. Während belebte Materie aber nicht allein konstruktiv wirksam ist, sondern darüber hinaus "etwas kann" - denken Sie an das Blatt eines Baumes, das zur Photosynthese fähig ist, oder den berühmten Lotuseffekt - wird die Umsetzung komplexer Formen eher als bautechnisches Problem verstanden. Es gibt also eine inhaltliche Lücke, die mich interessiert.
In diesem Sinne ist die Nanotechnik als Schlüsseltechnologie der Oberflächen interessant. Sie offeriert neue Prinzipien für Solarzellen, für lichttechnische Lösungen und vieles mehr, aber auch neue Sichtweisen, die als Entwurfskonzepte gedacht werden können. Sie steht im Zentrum von Ansätzen, die etwas optimistisch als Belebung der Materialien und Konstruktionen verstanden werden können. Die Nanoforschung spricht aber etwas nüchterner von der Funktionalisierung von Oberflächen.
In Ihrem Vorwort schreiben Sie, dass die Durchsetzung der Innovationen am Markt zu einem wesentlichen Teil von den Architekten und Designern abhängt. Warum?
Dort schreibe ich auch, dass die verschiedenen Teildisziplinen unterschiedlich dialogfähig sind. Während sich das Design immer mehr diversifiziert, hat die Architektur, also das Bauwesen, ein stärkeres Beharrungsvermögen. Dass vorausgeschickt, sind Architekten und Designer natürlich wichtige Mittler. Kreativität und Moderationsprozesse spielen in ihrem Alltag eine wichtige Rolle. Würden Sie diese Kompetenzen mehr als bisher für den Dialog mit der Forschung nutzen, ließe sich vieles in Bewegung setzen. Es wäre ebenso richtig zu sagen, dass es ein nicht unerhebliches Innovationspotential gibt, an deren Entwicklung sich Architekten und Designer aktiv beteiligen sollten. Wie das gehen kann, zeigen einige der Beispiele im Buch.
Welche Chancen sehen Sie damit in der Anwendung Intelligenter Oberflächen in der Architektur und dem Design und wie thematisieren Sie dies in Ihrem Buch?
Im Mittelpunkt stehen einige wenige Schlüsselbegriffe - Energie, Licht, Information und Klima - deren Relevanz im Grunde evident ist. Sie tragen gewissermaßen die Fragestellungen, um die es geht, schon in sich und bilden auch die Kapitelüberschriften. Bezogen auf das zentrale Thema der Oberfläche lässt sich mit ihrer Hilfe eine Terminologie entwickeln, die übliche Kategorisierungen umgeht und eine andere Perspektive auf innovative technische Lösungen, aber auch auf Gestaltungsfragen bietet. So sprechen wir beispielsweise von Energie erzeugende Oberflächen und können auf eine sehr direkte Weise divergente Konzepte erschließen, die in technischer Hinsicht über die bekannten Photovoltaiksysteme, die natürlich auch behandelt werden, hinausgehen. Gleiches gilt für Licht erzeugende, Klima regulierende Oberflächen und so weiter.
Arbeiten Sie selbst in Ihren Projekten mit Materialinnovationen? Was würden Sie gerne einmal ausprobieren?
Einige Projekte widmen sich sehr direkt der Innovation von Materialien. Im Augenblick arbeite ich an der Aufgabe mit, bestimmte lichttechnische Funktionen in die Oberfläche von Beton zu integrieren. Innovationen wie der ReflexBeton, die Klimamembranstudie Massive Skin oder das Low-Budget-Medienfassadensytem Mediaballs, die auch in dem Buch vorgestellt werden, entstehen in verschiedenen Konstellationen bis hin zum geförderten Forschungsprojekt. In der Praxis meines Büros nutze ich kleinere Projekte aus dem Bereich Ausstellung und Messebau, die auf Grund ihres speziellen Formats geeignet sind, verschiedene Dinge auszuprobieren. Sei es eine bestimmte Technik wie die eines großen Touchscreen oder eine bestimmte Oberflächenfunktionalität, eine "entmaterialisierende" Leuchtfarbe, einen großflächigen 3D-Effekt. Hier bringt unsere Zusammenarbeit mit Künstlern viele neue Einsichten, die sich mit der oben beschrieben Materialforschung ergänzen. In meiner nächster Arbeit möchte ich mich stärker mit Sensor-Aktor-Systemen beschäftigen. Dass sind technische Systeme von, sagen wir, handhabbarer Komplexität und geringen Kosten, mit deren Hilfe sich im Prinzip jedes Material in eine Intelligente Oberfläche verwandeln lässt. Außerdem würde ich mich gerne den Energie erzeugenden Oberflächen widmen, um herauszufinden, ob sich den derzeit geltenden strengen Regeln der Photovoltaik nicht doch noch etwas hinzufügen lässt.
Zum Abschluss ein Ausblick: Welche Materialien spielen in den nächsten fünf Jahren eine besonderer Rolle in der Architektur und warum?
Aus nahe liegenden Gründen werden jene Materialgruppen von Bedeutung sein, die in der gerade beschriebenen Logik zu den Energie erzeugenden und Klima regulierenden Oberflächen zu zählen sind. Es wird zum Beispiel darum gehen, den immer höheren Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz mit intelligenten Lösungen zu begegnen und nicht einfach immer dickere Lagen Wärmedämmung zu verwenden. Außerdem wird die Nanotechnik zu einer gewissen Technologisierung der Materialien führen, während die erwähnten Sensor-Aktor-Systeme die Möglichkeiten, mit Materialien zu experimentieren, erweitern werden. Ich könnte mir vorstellen, dass neben der institutionalisierten Forschung partikulare "low-budget hight-tech" Lösungen an Bedeutung zunehmen. Architekten werden mehr ausprobieren: hier ein Energie erzeugender Vorhang als Sonnenschutz, dort ein verformbares Glas als Belüftungssystem. So entsteht eine breitere Basis für Innovationen. Es werden weniger die Eigenschaften von Materialien als die "Performance" von Oberflächen eine Rolle spielen. Diese "Belebung" der Materialien wäre doch beinahe ein Paradigmenwechsel.
Thorsten Klooster ist Architekt in Berlin und Herausgeber des Buches Smart Surfaces. Von 2001 bis 2007 war er als Assistent an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus in der Entwurfslehre tätig. Er forscht unter anderem im Bereich der Neuen Materialien mit dem Schwerpunkt Funktionelle Oberflächen.
About the Author: Thorsten Klooster, architect and assistant, BTU Cottbus, Germany.